Kunst ist das Handwerk, seine Weltanschauung zu erklären


Seilspringen auf ganz dünnem Eis



Es ist ja nicht so, als hätte man mich nicht gewarnt. Es war sogar konkret so, dass man mir empfohlen hat, dieses Thema in meinem Blog nicht zu thematisieren. Die Frage nach dem, was Kunst überhaupt ist, sei viel zu kontrovers diskutiert und führe nicht selten zu sehr emotionalen Diskussionen, hieß es. Nun ja, wie im letzten Grevy-Newsletter so schön angekündigt wurde, schreibe ich in meinem Blog sehr persönlich und subjektiv. Es ist eben mein Blog, der Pits Blog. Also werde ich mich nun doch auf meine Art und Weise mit dem Thema Kunst, oder was Kunst überhaupt sein mag, beschäftigen. Ich liebe das Spiel mit dem Feuer und tanze eben deswegen nicht auf einem Vulkan, sondern hüpfe mutig beim Seilspringen auf ganz dünnem Eis.

Sicher, es gibt Leute, die haben studiert, was Kunst ist und sollten es ganz genau wissen. Es gibt sogar Leute, die haben Kunst studiert und fertigen Kunstwerke mit Diplom an. Na und?! Ich ziehe den Hut vor den Akademikern und verneige mich vor den handwerklich Geschickten, die Ihre Werke mit Schönheit und plakativen oder subtilen Aussagen versehen. Nein, dem Künstler will ich nicht meine zynische Laune und mein satierisches Gefasel aufzwingen. Und gewiss will ich nicht mit den Studierten darüber streiten, was sie an Ansicht gelernt und ich an Meinung gebildet habe. Jeder mag da seine Meinung behalten und sich nicht aufgefordert fühlen, meinen Kram als Belehrung aufzufassen. Ich mache mir einfach den Spaß, die sich aus meiner subjektiven Anschauung als Kunst-Kuriosiäten darstellenden Phänomene zu überzeichnen und das, was man nach meiner Meinung eben nicht unter "Kunst für alle" verstehen sollte, an den Pranger zu stellen. Ich hörte neulich bezüglich meines Blogs, dass mein Schreiben "Kunst oder was auch immer du machst" sei. Ok, was auch immer ich mache, ich mache es einfach gern. Wer möchte, kann darüber schmunzeln, wer anderer Meinung ist, muss nicht schmunzeln - muss sich aber auch nicht ärgern.


Um es auf den Punkt zu bringen, meine Meinung ist recht pragmatisch und schlicht. Ich halte Kunst für den Versuch, durch handwerkliches Geschick, seine Anschauung oder seine Meinung zum Geschehen anders als durch Klartext zu verdeutlichen. Wohl gemerkt, der Versuch ist nach meiner Ansicht bereits schon Kunst, was ich zu späterem Zeitpunkt genauer erklären möchte. Dass dies aus meiner Sicht manchmal merkwürdige Gestalt annehmen kann, weil sowohl der Fertigungsprozess als auch die dahinter stehende Gesinnung sich nicht ganz mit meinem Verständnis nachvollziehen lässt, das wird wohl sicher jedem klar sein. Verständnis ist nämlich so eine Sache, die alles richtig verpatzen kann. Da ist man vielleicht der verständnisvollste Mensch der Welt, aber das Denken reicht einfach nicht aus, um zu verstehen. Oder man ist der Mensch mit dem größten Verstand der Welt, doch es mangelt an verständnisvollem Mitgefühl. Ich bin glücklicherweise keiner der beiden Extreme. Warum glücklicherweise? Nun, Neider gibt es eben immer...


Ein Ökonom meinte neulich so in etwa, Kunst sei Kunst, wenn jemand bereit ist, Geld für etwas zu bezahlen, weil er es für Kunst hält. Ein gewagter Ansatz zur Erklärung des Kunstbegriffes. Überlassen wir nach ökonomischer Sicht die Definition der Kunst im Idealfall einem Steuerberater oder der Ansicht eines unwissenden Idealisten? Wenn man bedenkt, dass bereits schon zwei Kunstwerke allein von Joseph Beuys (Beuys Badewanne 1973 und die Fettecke 1986) Reinigungskräften zum Opfer fielen, müsste nach ökonomischen Aspekten bei jeder Reinigungsaktion global gefragt werden: "Ist das Kunst oder kann das weg?". Die Folgen für den Kunstmarkt und auch für die Hygiene mag sich nun jeder selbst vorstellen.

Können Einnahmequellen damit geschaffen werden, dass man - wie im Falle von Beuys Kunstwerken zu sehen ist - Geld dafür bekommt, weil andere hinter einem her kehren? Immerin gab es für die Fettecke 40.000,00 DM Schadenersatz und für Beuys Badewanne sollen es sogar 58.000,00 DM Schadenersatz gewesen sein. Wie war der ökonomische Ansatz? Kunst ist, wenn jemand dafür bezahlt hat oder wenn jemand (vor der Zerstörung) dafür bezahlt hätte? Spielt in letztem Fall eine Rolle, ob ein Kaufangebot vorlag oder ob sich nachträglich (nach der Zerstörung) noch jemand findet, der (vor der Zerstörung) bereit gewesen wäre, ein Kaufangebot abzugeben?


Wie oben bereits geschrieben, sehe ich den Versuch, sich durch handwerkliches Geschick zum Geschehen oder zur eigenen Anschauung anders als durch Klartext zu äußern, als Kunst an. An dieser Stelle will ich anmerken, dass die Äußerung von Ansichten im Klartext für einige Menschen eine Unmöglichkeit dazustellen scheint und im Falle von erfolgreicher Meinungsäußerung im Klartext ein aus der Sicht dieser Mitmenschen durchaus schon erhebliches Können vorliegen muss, woraus sich - nach meiner Ansicht - aber keine Kunst ableiten lassen kann. Offensichtlich fällt es Künstlern oft leichter, Meinungen und Anschauungen anders als durch Klartext zu äußern, wodurch erkennbar wird, dass Meinungsäußerungen und Verbreitung von Ansichten im Klartext in keinem Wertigkeitssystem mit Kunst vergleichbar sind. Nun, warum soll aber bereits der Versuch der künstlerischen Betätigung als Kunst angenommen werden? Kommt Kunst nicht von Können und müsste Kunst dann nicht auch vom Können soweit getragen werden, dass man lediglich den Versuch Kunst zu produzieren, nicht schon als Kunst bezeichnen dürfte? Prinzipiell schon, denn der Produzent eines Werkes muss schon selbst definieren können, was für einer Art sein Werk ist. Es wäre unrecht, wenn die Zuordnung einer Handlung nicht vom Akteur, sondern von der Beurteilung eines Betrachters abhinge. Wer will jemanden, der sich als Künstler versteht, in Abrede stellen, Künstler zu sein? Künstler ist man erst, wenn andere der Meinung sind, dass man echte Kunst produziert? Man ziehe sich zum Vergleich einmal das Berufsbild des Soldaten heran. Ist der Soldat kein Soldat, solange er nicht in einem richtigen Krieg echten Soldatendienst leistet? Ich gebe zu, dass die Handlungen eines Soldaten im Frieden nicht zwangsläufig zum Krieg führen. Kann man also entsprechend Künstler sein, ohne Kunst anfertigen zu können? Oder ist es doch so, dass die Existenz einer Armee auf lange Sicht zwangsläufig zum Krieg führt und der Soldat somit auch zu Friedenszeiten das erschafft, was seine Berufsbezeichnung schon zu Friedenszeiten rechtfertigt? Ein interessanter Aspekt für eine philosophische Beschäftigung, die ich jetzt aber erst einmal zurück stelle.

Ich denke, dass ein Künstler ähnlich einem Handwerker sein Werk anfertigt und es als Kunst gilt, wie das Werk eines Handwerkes auch immer sein Handwerk ist. Ob es dem Betrachter gefällt oder der Betrachter mit der Leistung einverstanden ist oder sein sollte, steht auf einem ganz anderen Blatt. Auch wenn das Werk eines Handwerkes Mängel aufweist und nicht abgenommen werden kann, so ist es dennoch Handwerk. Ebenso sehe ich die Beurteilung der Kunst. Auch wenn der Künstler zurecht sein Kunstwerk als Kunstwerk bezeichnen darf, so kann es dennoch mit Mängeln behaftet sein und daher nicht die Kriterien für eine Abnahme erfüllen. Aber vielleicht steht aber schon der Ökonom bereit, um mit dem Kauf trotz Mängeln dem Kunstwerk zur Vollendung zu verhelfen.


Ich habe da so meine ganz persönliche Weltanschauung und wie so manchem Künstler fällt es mir sehr schwer, den Horizont des Möglichen in seiner ganzen Weite zu erkennen, wenn naheliegende Dinge den Blick in die Ferne versperren. Und wenn wir ehrlich sind, das Naheliegende ist meistens unser eigener Plunder, den wir einfach nicht weggeräumt haben. Mit Diskussionen über das Wesen der Kunst bewege ich mich tatsächlich auf ganz dünnem Eis. Ich weiß. Doch es macht einfach viel zu viel Spaß, um es sein zu lassen.




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